Ich habe die beliebte Video-Plattform „Youtube Kids“ getestet und für euch einen besonders genauen Blick auf den Umgang mit Werbung geworfen.
Beschränkungen und Einstellungen
In den Einstellungen für das Kinder-Konto könnt ihr drei Altersstufen auswählen: Vorschulalter (unter 4), Jünger (5-8) oder Älter (9-12). Die Suche nach Videos kann deaktiviert werden. Die meisten von Youtube bekannten Funktionen (Like, Abonnieren, Kommentare, Views, ..) sind nicht vorhanden. Man kann entscheiden, ob Video-Verlauf und Such-Verlauf gespeichert werden sollen. In der Suche sind viele Begriffe gesperrt, sucht man nach ordinären oder explizit sexuellen Inhalten, erhält man kein Ergebnis.
Youtube stellt einen eigenen Leitfaden für Eltern zur Verfügung, mit allen Informationen zur Bedienung, Sicherheit und Datenschutz. Weiter zum Leitfaden
Zur Aufhebung der Kindersicherung (Klick auf das Schloss rechts oben) gebe ich einen selbst eingestellten Sicherheitscode ein (oder ich erhalte die Rechenaufgabe „Wie viel ist 5×6“). So komme ich in die Verwaltung der Konten. Um dort das Kinderkonto zu bearbeiten, muss ich zusätzlich mein Google-Passwort eingeben. Das ist gut gesichert.
Altersgemäße Inhalte
Die Inhalte für Kinder bis 4 enthalten laut Youtube Videos, die „Kreativität, Spielspaß, Lernen und Neugier“ fördern sollen. Nicht altersgemäße Inhalte werden „weitgehend“ ausgeschlossen. Nicht jedes Video ist von Youtube geprüft.
Für Kinder von 5 bis 8 gibt es Videos mit „Musik, Cartoons oder Basteln“. Auch hier: Nicht altersgemäße Inhalte werden „weitgehend“ ausgeschlossen. Nicht jedes Video wird überprüft.
Für Kinder von 9-12 gibt es „Musikvideos, Gamingvideos, familienfreundliche Vlogs, wissenschaftliche Inhalte und vieles mehr“ zu entdecken. Hier lautet die Sicherheitsinfo: „Wir bemühen uns, mithilfe unserer Systeme nicht jugendfreie Inhalte auszuschließen. Es werden aber nicht alle Videos manuell überprüft.“
Seit dem Start von Youtube Kids 2015 gab es immer wieder Berichte, von nicht altersgemäßen Inhalten (z.B. Gewalt verpackt in Kinder-Cartoons). Youtube gibt selbst an, nicht alle Videos zu kontrollieren. Videos, die durch die Kontrollen rutschen, haben häufig einige Tausend Ansichten erhalten, bevor sie gemeldet und gesperrt sind. Die Empfehlung ist, vor allem kleine Kinder nicht alleine und auch nicht mit aktiviertem auto-play schauen zu lassen.
Einen Artikel mit einem aktuellen Test, bei dem nicht-altersgemäße Inhalte gefunden wurden, findest du hier: t3n Youtube Kids zeigt Kleinkindern Videos, in denen Drogen und Schusswaffen beworben werden
Alles voller Werbung
Die Inhalte auf Youtube Kids sind, vor allem auch bei den Inhalten für die Jüngsten, zu sehr großen Teilen vollgepackt mit Werbung. Große Spielzeughersteller haben eigene Channels. Eingebaut in süße, lustige und spannende Geschichten ist das Programm wie eine riesige Dauerwerbesendung für Spielzeughersteller, Kinderfilme und Kinderserien und ihr Merchandising. Die Produktnamen sind häufig gut zu sehen. Eine Einschränkung für Product Placement oder werbliche Inhalte gibt es nicht. Für ganz Kleine (bis 4) gibt eine Tonne Videos, auf denen nur mit bestimmten Spielzeugen gespielt wird. Noch werblicher sind nur die „unboxing“-Videos, auf denen neues Spielzeug ausgepackt, bespielt und „getestet“ wird.
Wertvolle Inhalte
Es gibt eine große Menge gut und liebevoll gemachte, lustige, spannende und interessante Inhalte für alle Altersstufen. Youtube unterstützt die Video-Kreatoren mit einer ausführlichen Anleitung und Informationen für die Produktion von Videoinhalten für Kinder. Sie geben sich definitiv Mühe, ein gutes Angebot zu fördern und geben den Youtuber:innen viele gute Tipps und Hinweise, damit die Videos altersgerecht, spannend, lehrreich oder unterhaltsam werden. Ein Thema, das darin allerdings nicht enthalten ist: Werbung oder der werbliche Umgang mit Produkten in den Videos. Der Leitfaden verweist nur per Link auf die allgemeinen Werberichtlinien für Youtube Kids.
(Der Leitfaden hat 94 Seiten, ihr findet ihn hier: Leitfaden Youtube Kids für Content Creators)
Dein Kind ist das Produkt
Im Finanzierungsmodell von Youtube und Youtube Kids sind die Nutzer:innen das Produkt. Es funktioniert so: du darfst kostenlos zusehen, dafür siehst du ab und zu eine Werbung zwischen den Videos. Youtuber und Kanäle mit sehr vielen Abonnent:innen und vielen Video-Views sind Werbepartner von Youtube und verdienen an ihrer Reichweite. Youtube bezahlt Personen, die sehr gute und beliebte Inhalte produzieren. Gleichzeitig buchen Firmen gerne Werbeplätze bei Youtubern, die viele Fans haben. Das bringt viel Reichweite für den Werbespot. Wenn du oder deine Kinder kostenlos Youtube und Youtube Kids seht, seid ihr ein Teil des Werbekonzepts. Eure Nutzungsdaten werden ausgewertet und Youtube zeigt euch Werbung, die besonders gut zu euren Lieblings-Videos passt. Und Firmen können gezielt auf eure liebsten Inhalte Werbung schalten.
Datenspeicherung und gezielte Werbung
Youtube informiert mich nach dem Konto-Einrichten zweimal per E-Mail, wie verantwortungsbewusst mit Daten umgegangen wird, was alles gespeichert wird und wozu. Durch meine Brille als Online Marketing-Spezialistin fällt mir auf, dass in diesen Nachrichten besonders viel Wert auf gut verständliche Sprache gelegt wurde. Mir wird in einfachen Worten erklärt, wozu Daten gespeichert und verwendet werden. Außer in diesem Abschnitt:
„Dafür verknüpfen wir – vorbehaltlich der nachstehend beschriebenen Kontrollen – einen für die App spezifischen Identifikator mit den Videos, die Ihr Kind angesehen hat, und den Wörtern, nach denen es gesucht hat, um vermutlich interessante Inhalte empfehlen zu können.“
Datenschutzinfo von Youtube Kids (per E-Mail)
Das bedeutet, es wird aufgezeichnet, was dein Kind sich ansieht und für Empfehlungen von weiteren Videos kategorisiert.
Wir verwenden eindeutige Identifikatoren, um kontextbezogene Anzeigen bereitzustellen, einschließlich Frequency-Capping.“
Datenschutzinfo von Youtube Kids (per E-Mail)
Das bedeutet, dein Kind bekommt Werbeanzeigen ausgespielt, die zu den Inhalten der Videos passen, die es sich angesehen hat. „Frequency-Capping“ bedeutet, dass festgelegt wird, wie oft eine Werbeanzeige einer Person innerhalb eines Zeitraumes gezeigt wird. Zum Beispiel „1x pro Tag“ oder „bei jedem 5. Video“.
Werberichtlinien für bezahlte Werbung auf Youtube-Kids
Werbeanzeigen in Youtube Kids dürfen keine Inhalte enthalten, die für Kinder unter 13 Jahre ungeeignet sind. Ebenso dürfen Filme und Serien, die eine Alterseinschränkung haben, nicht beworben werden. Für Produkte aus diesen Bereichen ist Werbung auf Youtube Kids nicht erlaubt: Beauty und Fitness, Dating oder Beziehungen, Lebensmittel und Getränke, illegale oder regulierte Produkte, Online-Communities, politische Anzeigen, religiöse Anzeigen. Es ist außerdem nicht erlaubt, Werbung für Wettbewerbe oder Gewinnspiele zu schalten, oder Kinder zum Kauf von Produkten zu animieren.
Die kompletten Werberichtlinien für Youtube Kids findet ihr unter diesem Link: weiter zu den Werberichtlinien für Youtube Kids
Die Richtlinien sind nicht speziell gut oder schlecht oder ausführlich. Sie sind sachdienlich für ein Kinder-Angebot, das sich durch Werbung finanziert.
Werbung in Form von Geschichten
Spielzeughersteller lassen sich gute und spannende Stories einfallen, die den Werberichtlinien zu 100% entsprechen. Oder sie zeigen Kinder, die mit den Produkten spielen. Der Werbeeffekt ist vermutlich gleich hoch. Es braucht keine Aufforderung zum Kauf um ein Produkt toll zu finden und es haben zu wollen. Oft genug sehen und vorgespielt bekommen reicht auch. Die meisten bekannten Spielzeugehrsteller und großen Kinder-TV-Sender haben hier sowieso eigene Kanäle und produzieren eigene Videos für Youtube Kids.
Verhalten für Apps und Medienkonsum früh lernen
Auto-Play ist eine beliebte Funktion auf Streaming-Plattformen, in Spielen, auf Instagram, TikTok und anderen Social Media-Angeboten. Man entscheidet nicht mehr selbst, was man ansieht, ob man aufhört, oder weitermacht. Es geht einfach immer weiter. Endlosschleife. Durch Auto-Play wird die Aufmerksamkeit gebunden und die Nutzungsdauer verlängert. Das ist gut für die Werbe-€uros. Plattformen wollen, das Zuseher:innen möglichst oft kommen und möglichst lange bleiben. Durch diese Funktion werden schon Kinder an ein ununterbrochenes Nutzungsverhalten gewöhnt, das später eventuell zu problematischen Gewohnheiten (z.B. sehr lange Bildschirmzeiten) führt.
Was sind deine Erfahrungen mit Youtube Kids und anderen Angeboten für Kinder? Ich freue mich, wenn du deine Erfahrungen mit mir teilst an hallo@smartphonecoach.org
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